„Die Perspektive der neuen Generation ist wichtig, um verschiedene Aspekte zu beleben und zukunftsfähig zu gestalten.“
Seit über 40 Jahren brennt Ulrike Saade für die Mobilitätswende – mit dem besonderen Fokus auf die Fahrradkultur. In verschiedenen Funktionen für die Fahrradbranche aktiv, darunter als Initiatorin eines Fahrradfachgeschäfts und des Fachhandelsverbandes VSF, wollte Saade immer mit guten Produkten und gutem Service eine gute Radmobilität ermöglichen – als Alternative zum vorherrschenden Autoverkehr. 1996 gründet Ulrike Saade als überzeugte Netzwerkerin die Denkfabrik BIKEBRAINPOOL, die seitdem über Wettbewerbs- und Verbandsgrenzen hinweg am gemeinsamen Ziel arbeitet, das Fahrradfahren zu fördern. Mit der Gründung von Velokonzept zur Jahrtausendwende etablierte Ulrike Saade als geschäftsführende Gesellschafterin die Dienstleistungsagentur in der Fahrradbranche. Als Schnittstelle zwischen Industrie und Handel, Politik und Verwaltung, Verbänden, Tourismus, Messen und schließlich den Radfahrenden selbst, plant und organisiert Velokonzept Fahrradfestivals und -kongresse, setzt Kampagnen in die Tat um und ist aktive Partnerin für Institutionen, wenn es um die Themen Radfahren und aktive Mobilität geht.
Im Jahr 2020, zwanzig Jahre später, holt sich die Unternehmerin zwei starke Partnerinnen an Bord und läutet mit Hille Bekic und Isabell Eberlein einen Generationswechsel in der Velokonzept GmbH ein. „Ich selbst habe sehr gerne neue Themen und Projekte angeschoben war damit auch wirtschaftlich erfolgreich, hatte aber den Eindruck, dass nun ein Generationswechsel erfolgen sollte. Und mit der Unternehmensübergabe sind auch neue Kompetenzen in die Firma gekommen“, so die Wegbereiterin zu ihrer Entscheidung.
Beide Frauen bringen vor allem den Beratungsaspekt mit ins Unternehmen. Kennengelernt hat Ulrike Saade die beiden Nachfolgerinnen unabhängig voneinander auf Veranstaltungen. Hille Bekic und Isabell Eberlein kannten sich davor schon. „Hille und ich haben gemerkt, dass wir unsere Gründungsidee im Bereich der Mobilitätsberatung für Kommunen und Städte idealerweise innerhalb der Velokonzept GmbH umsetzen können“, so Isabell Eberlein. Als Politologin mit einem Master in Environmental Policy and Planning entwickelte sie mehrere Start-Ups im Mobilitätsbereich und verantwortet aktuell das VeloLAB, ein Versuchslabor für digitale und analoge Innovationsentwicklung im Fahrradsektor- akteursübergreifend und co-kreativ. Hille Bekic, planende und bauende Architektin, fungiert hingegen als Bindegliedzwischen Stadtentwicklung und Mobilität und baut den Bereich betriebliche und kommunale Mobilitätsberatung aus ihrer Planungsperspektive auf. „Wir sehen eine einzigartige Gelegenheit, das Fahrrad in neuen gesellschaftlichen Bereichen zu etablieren – Architektur, Stadtentwicklung, betriebliche und kommunale Mobilität, das sind alles Bereiche, die die gesellschaftliche und politische Bedeutung des Fahrrads zunehmend in den Fokus rücken,“ so Hille Bekic.
Den Nachfolgeprozess hat Ulrike Saade professionell begleiten lassen und in Zusammenarbeit mit den Nachfolgerinnen und dem bestehenden Team erarbeitet. Das Konzept sah vor, dass die beiden Übernehmerinnen zu Beginn die Belegschaft und die Organisation kennenlernen und parallel dazu ihre Ideen für neue Geschäftsfelder mit den Mitarbeitenden teilen. Im Zuge des Change-Managements wurden dabei Teile der Soziokratie und des agilen Projektmanagements implementiert. „Uns war es wichtig, das Team in den Veränderungsprozess aktiv miteinzubeziehen und ihnen dadurch unseren Führungsgedanken zu signalisieren, der auf eine eigenverantwortliche und selbstbestimmte Arbeitsweise ausgelegt ist,“ so Hille Bekic. Das Trio verzichtete auf einen klar vorab gesteckten Zeitplan. Man kam zu dem Entschluss, dass gerade bei der Übernahme durch Unternehmensfremde und der gleichzeitigen Etablierung von neuen Geschäftsmodellen dieser Aspekt etwaigen Besonderheiten nicht Rechnung tragen würde und zu Verunsicherungen im Team beitragen könnte. Stattdessen setzte man auf regelmäßige Meetings, in denen der Prozess reflektiert und aktuelle Themen in den Vordergrund gestellt wurden. Zudem wurde für die zukünftige Form der Zusammenarbeit ein verantwortliches, gemeinwohlorientiertes und nachhaltiges Wirtschaften in der Satzung festgelegt, welches die Unternehmenswerte widerspiegelt. Allen dreien war es wichtig, dass die bestehenden Kontakte und Geschäftsmodelle eine bestimmte Zeit erhalten bleiben, um für einen bestimmten Zeitpunkt das Fortleben der Organisation zu gewährleisten.
„Gleichzeitig brachte Ulrike Saade auch die nötige Offenheit für Neues mit, um eine Neuaufstellung im Zeichen der Nachfolgerinnen zu ermöglichen“, so die beiden Co-Geschäftsführerinnen. „Ihr ist beides gelungen“, resümieren die beiden weiter, „Sie hat sich in ihrer Rolle immer wieder reflektiert und die Frage gestellt, wie kann ich der Nachfolge dienlich sein, ohne sich und ihre Interessen selbst aus den Augen zu verlieren. Sie ließ sich nicht von finanziellen Interessen leiten, hat aber gleichzeitig eine Grundlage geschaffen, die auch ihren finanziellen Bedürfnissen gerecht wird”. Die Wegbereiterin wird 2025 aus dem Unternehmen ausscheiden und ihre restlichen Anteile an Hille Bekic und Isabell Eberlein übertragen, die sich derzeit jeweils zu einem Drittel die Gesellschaftsanteile teilen. Mittlerweile hat Ulrike Saade viele Aufgabenbereiche, inklusive der Führung des Teams an ihre Nachfolgerinnen übertragen. Sie selbst betreut noch zwei Projekte in der Firma, die ihr eine besondere Herzensangelegenheit sind.
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she succeeds award
Der she succeeds award, die Auszeichnung des Verbands deutscher Unternehmerinnen für die „Unternehmensnachfolgerin des Jahres“, ist der erste und einzige Preis in Deutschland, der weibliche Nachfolgeunternehmerinnen auszeichnet und sie als Vorbilder sichtbar macht.
Im Rahmen des vom Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz seit Januar 2021 geförderten Modellprojekts „she succeeds – Mehr weibliche Nachfolge!“ prämiert der VdU zum zweiten Mal den oder die „Wegbereiter*in des Jahres“. Damit zeichnen wir Alt-Inhaberinnen und Alt-Inhaber aus, die mit einem ausgeklügelten Übergabekonzept, einem vorausschauenden Zeitplan und der intensiven Einarbeitung der Nachfolgerin zu einer erfolgreichen Unternehmensübergabe beigetragen haben. Denn im wirtschaftspolitischen Interesse liegt es, eine Erosion der mittelständischen Unternehmen zu verhindern, Beschäftigung und Ausbildung zu sichern und die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Betriebe zu erhalten.