UNTERNEHMERIN

Ein mobiler Masterplan

Ein Gespräch mit Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, über Mobilität 4.0, die Sicherung der Energieversorgung in Krisenzeiten – und darüber, welchen Beitrag Unternehmen zur Verkehrswende leisten können.

Frau Kluckert, seit einigen Monaten sind Sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr und verantworten dabei neben Themen der digitalen Infrastruktur auch die Bereiche Elektromobilität und Mobilität 4.0. Das sind Felder, in denen in den kommenden Jahren die signifikantesten Transformationen anstehen – eine Mammutaufgabe. Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?

In den nächsten Jahren stehen wir vor einem tiefgreifenden ökonomischen und ökologischen Wandel. Dazu müssen wir Klimaschutz, Digitalisierung und moderne Mobilität weiter voranbringen. Die Elektromobilität spielt dabei eine herausragende Rolle. Der weitere Markthochlauf wird getragen durch Investitionen aus der Privatwirtschaft und passgenauen Förderprogrammen. Bei der Mobilität 4.0 setzen wir unter anderem auf das autonome Fahren und gestalten hierfür den Rechtsrahmen weiter aus. Eine weitere regulatorische Herausforderung ist die Erarbeitung eines nationalen Mobilitätsdatengesetzes, um beispielsweise multimodale Reiseinformationen und -dienste zu ermöglichen. Für all das brauchen wir leistungsfähige digitale Infrastrukturen. Der Kompass dafür ist unsere Gigabitstrategie, die in diesem Sommer vom Kabinett verabschiedet wird. Für den zügigen Ausbau wollen wir unter anderem Genehmigungsverfahren vereinfachen und digitalisieren. Hemmnisse bei der Nutzung alternativer Verlegetechniken wollen wir abbauen, indem wir Normierungs- und Standardisierungsprozesse voranbringen.

 

Technologieoffenheit ist eine Kernforderung der FDP und auch ein Ziel der Bundesregierung in der Verkehrswende. Wie zeigt sich dies konkret in den Plänen des Bundesverkehrsministeriums im Mobilitätsbereich?

Wir konzentrieren uns nicht nur auf den batterieelektrischen Antrieb, sondern bleiben technologieoffen. Für die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie sehen wir etwa großes Potenzial bei schweren Fahrzeugen, zum Beispiel bei Bussen und Zügen, bei Lkw, aber auch im Luft- und Seeverkehr. Dabei kommt es darauf an, jede Technologie so einzusetzen, dass sie optimal wirken kann und auch ökonomisch konkurrenzfähig wird. Bei unseren Fördermaßnahmen setzen wir deshalb gezielt auf eine technologieoffene Ausgestaltung, etwa bei der Fahrzeugbeschaffung im Bereich der Nutzfahrzeuge, Busse und Schienenfahrzeuge, der Tank- und Ladeinfrastruktur sowie beim Markthochlauf erneuerbarer Kraftstoffe.

 

Die Explosion der Kraftstoffpreise nach dem Beginn des Kriegs Russlands gegen die Ukraine hat Pendler*innen, aber auch viele Unternehmen im Transportgewerbe oder solche, die geschäftlich auf den Pkw angewiesen sind, hart getroffen. Was sagen Sie zu der Kritik, dass die Bundesregierung zu wenig getan hat, um Unternehmen in den von den hohen Kraftstoffpreisen stark betroffenen Branchen zu entlasten?

Die hohen Energiepreise sind vor allem von den Weltmarktpreisen für Gas, Öl und Kohle getrieben, die die Bundesregierung weder beeinflussen noch vollständig oder gar dauerhaft ausgleichen kann. Wir nehmen die Sorgen der Menschen und auch der Wirtschaft dennoch sehr ernst. Deshalb hat die Bundesregierung im Februar und im März 2022 eine Reihe von Entlastungsmaßnahmen auf dem Weg gebracht. Dazu gehören die Anhebung der Fernpendlerpauschale und der Mobilitätsprämie, die Einführung eines 9-Euro-Tickets im ÖPNV für 90 Tage, eine befristete Absenkung der Energiesteuer auf Diesel, Benzin und Flüssiggas sowie die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli.

 

Der Krieg in der Ukraine hat zu einem Umdenken bei der Energieversorgung und den Wegen zum Erreichen der Energiewende geführt. Ausreichend Strom wird auch für das Gelingen der Verkehrswende zentral sein. Werden vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs auch im Bundesverkehrsministerium bisherige Pläne neu evaluiert und angepasst?

Die Bundesregierung arbeitet intensiv an der Sicherung der Versorgung Deutschlands mit Energie. Wir haben zusätzlich zur Krisenvorsorge Maßnahmen auf den Weg gebracht, um den Ausbau erneuerbarer Energie, insbesondere die Erzeugung von Strom, zu beschleunigen und die Versorgungssicherheit der Unternehmen und der Bevölkerung mit Energie sicherzustellen. Ungeachtet dessen bleibt der Klimaschutz auf nationaler und auf europäischer Ebene eine der wichtigsten Gestaltungsaufgaben, auch für den Verkehrsbereich. Das Legislativpaket „Fit For 55“ der EU-Kommission zur Umsetzung des Green Deal enthält zahlreiche Vorschläge, die sich auch auf den Verkehrsbereich auswirken werden. Dabei geht es beispielsweise um anspruchsvolle CO₂-Zielwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge – perspektivisch auch für schwere Nutzfahrzeuge –, um den Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur und um den Hochlauf klimafreundlicher nachhaltiger Kraftstoffe. Wichtig ist aber bei alldem, dass wir europäische Doppelbelastungen vermeiden und immer auch die finanzielle Tragfähigkeit der Beschlüsse konsequent im Blick haben.

 

Für alle, die beruflich viel mit dem Auto unterwegs sind, ist jede Minute kostbar. Langes Suchen von freien Lademöglichkeiten unterwegs und langes Warten beim Aufladen machen den Kauf eines Elektroautos daher für viele noch unattraktiv. Ihr Ministerium hat den Ausbau der Ladeinfrastruktur als wichtigstes Ziel benannt: Eine Million Ladepunkte sollen bis 2030 geschaffen werden. Wie können wir das in der Fläche von urbanen bis ländlichen Regionen schaffen? Und welchen Beitrag können Unternehmen leisten?

Als Beauftragte für Ladesäuleninfrastruktur liegt mir das Thema besonders am Herzen. Das gilt auch mit Blick auf das Ziel der Bundesregierung, dass Deutschland bis 2030 mit 15 Millionen Elektro-Pkw zum Leitmarkt für Elektromobilität wird. Errichtung und Betrieb von Ladeinfrastruktur sind in erster Linie eine unternehmerische Aufgabe – und auch eine Chance. Einzelhändler, Hotels und die Gastronomie bieten Lademöglichkeiten auf ihren Kundenparkplätzen an. Unternehmen und Betriebe stellen ihre Fuhrparks auf Elektroautos um und statten Mitarbeiterparkplätze mit Ladestationen aus. Energieversorger bauen überall in Deutschland Ladeinfrastruktur auf. Und auch die Mineralölwirtschaft und die Wohnungswirtschaft haben das Thema für sich entdeckt. Mit unserer Ausschreibung zum Deutschlandnetz mit 1000 Schnellladestandorten treiben wir daneben die Grundversorgung in den Regionen und an den Autobahnen voran. Ab 2023 haben wir mit dem Deutschlandnetz ausreichend Schnellladestationen, damit alle Orte innerhalb Deutschlands zügig erreicht werden können.

 

Klimaneutraler Verkehr scheint in urbanen Gebieten ein erreichbares Ziel zu sein, dank ÖPNV, Elektromobilität und Radverkehr. In ländlichen Regionen sieht das anders aus. Wie kann dort klimaneutraler Verkehr gelingen?

Auf dem Land wird der eigene Pkw auch künftig eine große Rolle spielen, aber zukünftig emissionsfrei unterwegs sein. Unsere Förderung von Elektromobilität und Ladeinfrastruktur trägt dazu bei. Zudem unterstützen wir die Länder bei der Gestaltung eines attraktiven ÖPNV mit mehreren Milliarden Euro im Jahr, damit immer mehr Menschen auch im ländlichen Raum vom eigenen Pkw auf Bus und Bahn umsteigen können. Innovative Konzepte wie Ridesharing, Rufbusse und autonomes Fahren können darüber hinaus den klassischen ÖPNV ergänzen. Vernetzung der Mobilität ist das Stichwort. Dazu gehört auch die Stärkung des Radverkehrs im Rahmen unseres Nationalen Radverkehrsplans 3.0. Grundsätzlich gilt: Klimaschonende Mobilität wird vor allem auf kommunaler Ebene umgesetzt. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr bietet ein breites Förder-, Informations- und Vernetzungsangebot an, um Kommunen und kommunale Unternehmen bei ihren Vorhaben zu unterstützen.

 

Viele unserer Güter und Rohstoffe werden immer noch hauptsächlich auf der Straße transportiert. Die Schiene soll in der Verkehrswende eine zentrale Rolle spielen, hinkt aber den Erwartungen hinterher. Wie muss sich der Logistikbereich im Großen und Kleinen verändern, und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Wir haben uns vorgenommen, den Masterplan Schienengüterverkehr weiterzuentwickeln und zügiger umsetzen. Wichtige Handlungsfelder sind die Förderung der Trassenpreise, des Einzelwagenverkehrs und von Gleisanschlüssen. Damit wollen wir die Nutzung der Schiene attraktiver gestalten. Mit dem Bundesprogramm „Zukunft Schienengüterverkehr“ setzen wir zudem konsequent auf Innovationen in den Bereichen Digitalisierung, Automatisierung und Fahrzeugtechnik. Zu den bereits gestarteten Vorhaben gehören auch das digitale Testfeld „Zugbildungsanlage der Zukunft“ in München-Nord und die Erprobung des automatisierten Fahrens auf der Betuwe route, der Güterverkehrsstrecke zum Hafen Rotterdam. Auch die digitale automatische Kupplung ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Element. Die Förderung von Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs wollen wir ebenfalls fortsetzen und dabei den Fokus auf Digitalisierung und Automatisierung erweitern. Die damit verbundene Erhöhung von Qualität, Sicherheit und Effizienz unterstützt die Transportverlagerung auf Schiene und Wasserstraße.

 

ZUR PERSON

DANIELA KLUCKERT ist Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr. Neben ihren Themenschwerpunkten Digitale Infrastruktur, Digitale Gesellschaft, Elektromobilität, Mobilität 4.0 und Schifffahrt ist sie Beauftragte für die Ladesäuleninfrastruktur. Seit 2017 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestags; sie tritt für den Wahlkreis Berlin-Pankow an. Die Diplom-Volkswirtin war in der 19. Legislaturperiode Vizevorsitzende des Bundestagsausschusses für Verkehr und Mitglied der Enquetekommission Künstliche Intelligenz. Im März 2018 wurde sie zur stellvertretenden Landesvorsitzenden der FDP Berlin, im Mai 2021 zum Mitglied im Bundesvorstand der FDP gewählt. Daniela Kluckert ist verheiratet und Mutter einer Tochter.

 

Interview: Anke Janetzki

Foto: Inga Haar

Dieses Interview wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN (2022/1) veröffentlicht.