Ideen einbringen erwünscht
Die Schlosser Holzbau GmbH im baden-württembergischen Jagstzell hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten vom kleinen Zimmerbetrieb zum Hightech-Unternehmen entwickelt. „Wir nutzen moderne Technologien, entwickeln innovative Ingenieurskonstruktionen und setzen dabei auch neue Holzarten ein“, sagt Geschäftsführerin Marlen Schlosser. So hat der Mittelständler mit rund 80 Mitarbeiter*innen vor wenigen Jahren eine Produktionshalle mit einer maximalen Spannweite von 82 Metern errichtet – Weltrekord! Das Material Baubuche besteht aus Buchenfurnierlagen. „Da der Bestand der Fichte künftig erheblich abnimmt, suchen wir bereits jetzt nach innovativen Alternativen und setzen diese ein“, sagt Schlosser. Innovationen seien überlebenswichtig. „Wer Kunden begeistern und die Zukunft gestalten will, muss die Gegenwart verstehen und offen für Neues sein“, sagt Marlen Schlosser. Nicht nur der Markt verlange stets nach Neuerungen. Auch die Prozesse in der Firma müssten stetig den aktuellen Anforderungen angepasst werden. Außerdem steige die Mitarbeiterzufriedenheit, wenn die Firma eine innovative Unternehmenskultur lebe.
„Viele Start-ups entstehen, weil die Gründer*innen mit den Prozessen oder Produkten des alten Unternehmens unzufrieden waren“, sagt Carlos Link-Arad, Gründer des Beratungsunternehmens Casoa. „Wird ihnen hingegen ermöglicht, ihre Ideen innerhalb des Unternehmens zu entwickeln, profitieren beide Parteien davon.“ Eine Innovationskultur entstehe nicht ohne das Zutun der Führungskräfte. Im Gegenteil: „Das Thema Innovation sollte ganz oben angesiedelt sein“, sagt René Götzenbrugger, Autor des Buchs „Innovation – der Praxis-Guide“ und Inhaber der Agentur Graustich in Heidenheim. Im Unternehmen solle ein entsprechendes Mindset herrschen, rät er, es müsse sich als „House of Innovation“ verstehen. Dazu gehört, dass Fehler gemacht werden dürfen. „Wie sollen Mitarbeiter*innen sich trauen, etwas Neues zu probieren, wenn keine Fehler erlaubt sind?“, sagt Jochen Mai, Speaker und Gründer von Karrierebibel.de. Werde Leistungsdruck aufgebaut und jeder Misserfolg geahndet, bewegten sich die Mitarbeiter*innen innerhalb enger Grenzen. Daher sollten Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie Fehlschläge kommunizieren und die Verantwortung dafür übernehmen. Wichtig sei allerdings, aus den Fehlern zu lernen, sagt Schlosser. So komme man dem Ziel, etwas Neues zu entwickeln und die Kund*innen zu begeistern, einen Schritt näher.
Wie sieht eine solche Innovationskultur in der Praxis aus? „Die Geschäftsleitung schafft die Rahmenbedingungen, in denen Kreativität und innovatives Denken gefördert werden, die zum Ausprobieren einladen“, sagt Mai. Schlosser hat das getan. Vor rund fünf Jahren hat sie die herkömmlichen Abteilungen aufgelöst und auf crossfunktionale Projektteams umgestellt, die agil arbeiten. „Innovationen entstehen in Teams“, sagt Schlosser. „Eine*r hat einen Impuls, der wird dann aufgegriffen und weiterentwickelt.“ Jedes Teammitglied wird daher ermutigt, Verantwortung zu übernehmen; alle, vom Auszubildenden bis zur Ingenieurin, dürfen ihre Ideen einbringen. Dadurch werde der KVP, der Prozess der kontinuierlichen Verbesserung, tatsächlich kontinuierlich umgesetzt, sagt Schlosser – „und nicht nur einmal alle sechs Wochen im Meeting“.
Trotzdem braucht es eine*n Koordinator*in. Andernfalls entstehe möglicherweise „zu viel, was nicht harmoniert“, sagt Link-Arad. Das ist Aufgabe der Geschäftsführung oder eine*r leitenden Mitarbeiter*in. Die Innovationen selbst kommen indes in erster Linie von den Angestellten. Sie sind nah dran an der Kundschaft und den Prozessen und wissen, wo etwas besser laufen könnte oder was die Kund*innen wünschen. „Die Innovationskultur steht und fällt mit den Mitarbeiter*innen“, bekräftigt Mai. Aus diesem Grund sollte das Management bereits bei der Einstellung darauf achten, dass es unterschiedliche Charaktere an die Firma bindet. „Unter Angestellten mit sehr ähnlichen Lebensläufen gibt es möglicherweise weniger Konflikte, es entstehen aber auch kaum neue Ideen.“ Beim Holzbauunternehmen Schlosser bedeutet Diversität vor allem einen für die Branche recht hohen Frauenanteil.
Damit Ideen entstehen, die einen Zusatznutzen haben – nur das sind echte Innovationen –, kann man im Übrigen mit Tools arbeiten. Vor allem wenn es darum geht, Prozesse zu automatisieren beziehungsweise zu digitalisieren, ist GPT ein mögliches Werkzeug. Das Ergebnis des Chatbots sollte nicht eins zu eins übernommen werden. Es stellt aber eine gute Basis dar, auf der der Mensch aufbauen kann. Götzenbrugger empfiehlt die Zielmanagement-Methode OKR (Objectives and Key Results), kombiniert mit Scrum, einer Methode für agile Produktentwicklung und agiles Projektmanagement.
Text: Sabine Hölper
© Alex Oakenman / Shutterstock; Schlosser Holzbau GmbH; Graustich
Dieser Beitrag wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN 01/24 veröffentlicht.