UNTERNEHMERIN

Mehr meta wagen?

Der Hype um das Metaversum als Fusion von virtueller und realer Welt war groß. Aber damit Geld zu verdienen ist selbst für Mark Zuckerberg schwierig. Lohnt sich da der Einstieg für kleine und mittlere Unternehmen überhaupt?

Ist das nächste große Ding schon wieder vorbei? Im Herbst vor einem Jahr hatte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mit großen Worten über das Metaversum gesprochen. „Wir sind überzeugt, dass das Metaversum der Nachfolger des mobilen Internets sein wird“, sagte er und ließ seinen Worten gleich Taten folgen: Der Facebook-Konzern sollte von nun an Meta heißen. Zumindest bis jetzt war das für den Techgiganten eine gigantische Fehlentscheidung. Als Zuckerberg die spektakuläre Wende vollzog, war das gesamte Unternehmen mit den Flaggschiffen Facebook, Instagram und WhatsApp an der Börse mit der sagenhaften Summe von einer Billion US-Dollar bewertet. Heute ist der Konzern nur noch 360 Milliarden Dollar wert. Das entspricht 1,5 Milliarden Dollar Verlust pro Tag.

Kein Wunder also, dass deutsche Unternehmen das Metaversum eher skeptisch betrachten. In einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom erklärte jede zweite Firma (48 Prozent), keine Investitionen in die virtuellen Welten zu planen. Nur jedes zehnte Unternehmen will in den kommenden zwei Jahren Geld in „Metaverse“-Projekte stecken. Also gut, mögen einige nun meinen, dann müsse man sich mit dieser komischen Meta-Sache ja gar nicht erst beschäftigen. Das könnte ein vorschneller Schluss sein.

Denn für kleinere und mittelständische Unternehmen bietet das Metaversum durchaus Möglichkeiten. Wer dort Zeit und Geld investiert, sollte aber genau wissen, was erreicht werden soll. Und dazu braucht es ein Verständnis davon, was das Metaversum eigentlich ist und was nicht. Digital-Enthusiast*innen stellen sich das Metaversum als ein virtuelles Paralleluniversum vor, durch das wir flanieren und währenddessen Kleidung kaufen können, in dem wir uns zum Kaffeeklatsch oder auf Partys treffen und wo wir sogar Grundstücke besitzen. Für jede Aktivität in dem, was wir bislang für die reale Welt halten, wird ein Metaversum-Äquivalent entwickelt. Natürlich mit den damit verbundenen Möglichkeiten, Geld für diese Aktivitäten online auszugeben.

Solche Welten gibt es bereits, vor allem im Spielebereich. „Roblox“, ein 2006 erschienenes Videospiel für Kinder, hat sich zu einer immersiven Welt entwickelt, in der Spieler*innen ihre eigenen Kreationen entwerfen und verkaufen können, von Avatar-Kostümen bis hin zu ihren eigenen interaktiven Erlebnissen. Statt ein in sich geschlossenes Spiel zu bleiben, wurde Roblox zu einer umfassenden Spieleplattform. „Fortnite“, das 2017 veröffentlicht wurde, war zu Beginn kaum mehr als ein Videospiel, bei dem mit Waffen geschossen wurde. Dann aber entwickelte es sich zu einem immer diffuseren Raum, in dem Spieler*innen gemeinsam Strukturen bauen oder Konzerte und andere Live-Events im Spiel besuchen können. Der Popstar Ariana Grande ist dort schon virtuell aufgetreten.

Auf diesen Plattformen bieten sich Anknüpfungspunkte auch für KMU, findet Michael Blaschke, Unternehmensberater für Technologiestrategie bei Kearney Digital. Sie könnten beispielsweise eine Parzelle eines digitalen Grundstücks kaufen und dort eine maßgeschneiderte Struktur errichten. Etwa einen Laden, in dem Nutzer*innen digitale Gegenstände ansehen und ihre Avatare anziehen können, schreibt Blaschke in einem Blogbeitrag des Wirtschaftshubs Payment and Banking. Sie können auch themenbezogene Veranstaltungen organisieren und eine Gemeinschaft rund um die Marke im virtuellen Raum aufbauen. Als Partner*in böten sich Roblox an, aber auch Decentraland (Veranstalter digitaler Events wie Konzerte) oder Sandbox (Verkäufer digitaler Grundstücke).

Sogar eigene Metaversum-Lösungen könnten sich für Unternehmen lohnen, schreibt Blaschke. Etwa ein maßgeschneidertes Netz, das den individuellen Geschäftsanforderungen entspricht und ähnliche Partner*innen wie in der echten Welt ansprechen würde. Eine solche Lösung wäre beispielsweise ein virtuelles Einkaufszentrum, mit dem ein Unternehmen von der Anmietung virtueller Grundstücke profitiert oder auch vom Verkauf digitaler Waren. So könnten Geschäftspartner*innen aus der gleichen Modenische sich zusammenschließen, um Kundschaft anzuziehen.

Tobias Regenfuß, Technologiechef der Unternehmensberatung Accenture in Deutschland, empfiehlt deutschen Unternehmen hingegen, das Metaversum als einen weiteren Markt für Produkte zu sehen, die hierzulande traditionell stark sind. So ließen sich im Metaversum etwa Produktionsanlagen virtuell nachbilden, sagte Regenfuß der „Wirtschaftswoche“. Expert*innen könnten Reparaturen anleiten, ohne persönlich anreisen zu müssen. Das Know-how, solche Anwendungen zu bauen, sitze in Deutschland. Mittels des Metaversums, so Regenfuß, könne es leichter in die reale Welt getragen werden.

Angesichts der vielen Möglichkeiten halten viele Expert*innen einen Abgesang auf das Metaversum, bevor es so richtig begonnen hat, für verfrüht. Die Berater*innen von Grand View Research etwa gehen von einem Wachstum von derzeit knapp über 40 Milliarden US-Dollar auf etwa 680 Milliarden bis zum Jahr 2030 aus. Neben Facebook investieren sechs weitere der größten börsennotierten Unternehmen der Welt – Amazon, Apple, Google, Microsoft, Nvidia und Tencent – weiterhin enorme Summen ins Metaversum.

Und auch Zuckerberg will sich nicht beirren lassen. Trotz der hohen Verluste versicherte er, dass man die Investitionen in die Zukunft nicht kürzen werde. Meta hofft darauf, viele kleine und mittelständische Unternehmen für die Idee virtueller Welten zu begeistern, in denen ihre Abläufe und Geschäfte Platz finden könnten.

Allerdings bleibt es auch für sie eine Wette mit ungewissem Ausgang. Alle Ausgaben in Metaversum-Projekte sind nicht nur mit den üblichen finanziellen Risiken verbunden, sondern darüber hinaus mit der Gefahr, dass die Welt, in der sie sich befinden, innerhalb kürzester Zeit überhaupt nicht mehr existiert. Verluste in einer Dimension, wie Facebook sie erlitten hat, seit es Meta geworden ist, wären für jedes andere Unternehmen tödlich.

Text: Katharina Hummert
Foto: A. Solano/Shutterstock

Dieser Artikel wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN (2022/2) veröffentlicht.