Von Aachen in die ganze Welt
Eigentlich, sagt Isabel Bonacker, habe sie Journalistin werden wollen. Bereits als 15-Jährige sei sie für die Tageszeitung „Rheinpfalz“ auf dem Mofa unterwegs gewesen. „Wobei es meist mehr Kilometergeld gab als Zeilengeld“, sagt die Unternehmerin schmunzelnd, sie habe sich nämlich Ortstermine mit möglichst langer Wegstrecke ausgesucht. Diesen Pragmatismus hat sich Isabel Bonacker bewahrt. So führt sie das 1956 von Dr. Michael Babor gegründete Kosmetikunternehmen Babor nicht als CEO, sondern als stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates in einer Doppelspitze mit ihrem Cousin Martin Grablowitz. Um das operative Geschäft kümmert sich eine dreiköpfige Geschäftsführung. Dieses Führungsmodell – Fremdmanagement plus involvierte Inhaber*innen – hat bei Babor Tradition: Bereits der Gründer agierte nach diesem Prinzip. „Es ist nicht in Stein gemeißelt“, sagt Isabel Bonacker, „jede Generation kann neu entscheiden. Aber für meinen Cousin und mich hat es einfach gepasst.“
Bevor sie in den Verwaltungsrat von Babor eintritt, macht die Unternehmerin eine „Mosaik-Karriere“, wie sie es nennt. Dem Berufsziel Journalismus folgend, studiert sie Jura in Heidelberg. Doch irgendwann spürt Isabel Bonacker: Das passt nicht. Weder das eine noch das andere. „Ich habe mich zunehmend gefragt: Willst du wirklich immer nur über das schreiben, was andere machen? Willst du nicht lieber selbst was machen?“ Als die Studenteninitiative, in der sie sich engagiert, einen zweitägigen Kongress veranstaltet, ist sie vom Teamspirit während des Projekts begeistert: So möchte sie arbeiten. Doch als Rechtsanwältin wäre das kaum möglich. Also beendet sie, pragmatisch, wie sie ist, das Jurastudium mit dem Ersten Staatsexamen. „Mütterlicherseits habe ich viele Volljurist*innen in der Familie“, sagt Isabel Bonacker, „für die war ich nun die ‚Studienabbrecherin‘.“ Sichtlich amüsiert erzählt sie, dass ihre Entscheidung jedoch keine negativen beruflichen Folgen nach sich gezogen habe, im Gegenteil: Im Rahmen einer Begabtenförderung absolviert sie ein Praktikum beim Beratungsunternehmen McKinsey, wo man ihr eine Festanstellung anbietet und die junge Frau auf die Business School INSEAD in Fontainebleau bei Paris schickt. Zehn Monate später kehrt Isabel Bonacker mit dem MBA-Abschluss in der Tasche zurück. Sie wird fünf Jahre für McKinsey tätig sein, dann kommt das erste Kind. Daher macht sie eine längere Pause. Auf den ersten folgen ein zweiter Sohn und eine Tochter. Sie genießt das Familienleben, ihr Mann begeistert die Kinder für das gemeinsame Wandern. In der Natur zu sein und die Familie um sich zu haben, das sei ihr Verständnis von Glück, sagt Isabel Bonacker.
Als sie mit Ende 30 den Wiedereinstieg ins Berufsleben plant, ist eine Rückkehr in die Beratungsbranche keine Option: nicht familienfreundlich genug. Und noch etwas anderes kommt hinzu, ihre persönlichen Erfahrungen mit sozialem Engagement. „Heute würde man sagen, ich war ‚purpose driven‘, ich wollte meine Talente und Fähigkeiten für etwas Gutes einsetzen.“ Sie absolviert an der European Business School einen Studiengang für Stiftungsmanagement, als eine Kommilitonin sie auf das frisch gegründete Start-up Ashoka aufmerksam macht. Bald steht sie dort auf der Payroll und bleibt fünf Jahre an Bord. „Ich fand es großartig, was diese Social Entrepreneurs leisten. Die Zeit bei Ashoka hat mich für das Unternehmertum begeistert. Ich wusste: Ich will auch Unternehmerin sein.“ Und pragmatisch, wie es ihre Art ist, bietet sie der Familie an, einen Sitz im Verwaltungsrat zu übernehmen.
Der Einstieg von Isabel Bonacker in die Babor Beauty Group markiert den ersten Schritt des Familienunternehmens auf dem Weg zum Global Player. Heute befindet sich die Babor Beauty Group auf der Zielgeraden, denn vieles wurde optimiert, neu gedacht, transformiert – Stichwort Multichannel-Strategie für die Marke Babor. „Hintergrund war, dass wir gesagt haben, wir müssen dahin, wo unsere Kund*innen uns sehen, erleben, kaufen wollen“, sagt die Unternehmerin, „und das geht über unseren Profibereich, die Babor-Kosmetikinstitute, weit hinaus. Darin lag die große Herausforderung, denn wir sind Europas führende Marke in diesem Segment.“
Wenn heute Touchpoints in Apotheken, ausgewählte Parfümerien und Flagship-Stores, E-Tailer-Plattformen wie Amazon und der eigene Webshop eine friedliche Koexistenz mit den Babor-Kosmetikinstituten führen, bewertet Isabel Bonacker das als geglückten Prozess: „Als wir vor zehn Jahren mit der Multichannel-Strategie gestartet sind, wurde uns prophezeit, dass wir viele Institute verlieren würden. Aber wir haben auf Kommunikation gesetzt, auf Anreize wie Margen für die Institute, wenn Kund*innen online einkaufen. Wir haben unsere Kosmetikerinnen mitgenommen auf diese Reise.“ Auch die Präsenz in sozialen Medien trage zum Erfolg der Strategie bei, sagt Isabel Bonacker. „Wir haben die Marke Babor verjüngt und sprechen eine breitere Zielgruppe an. Die Töchter meiner Freundinnen wissen mehr über die Babor-Ampullen, die sich natürlich wunderbar auf Instagram inszenieren lassen, als ihre Mütter.“
Neben der Hauptmarke produziert das Unternehmen seit einigen Jahren auch für die Bereiche Handelsmarken und Premium Private Label. Was ursprünglich bloß die Maschinen auslasten sollte, hat sich zur wichtigen Säule innerhalb der Unternehmensstrategie entwickelt: „Wir haben gelernt, dass wir Auftragsgeschäft ebenso können wie Marke. Warum sollten wir das nicht kombinieren und neue Geschäftsbereiche erschließen?“, sagt Isabel Bonacker. „Schließlich haben wir bei Babor die besten Voraussetzungen, denn die gesamte Wertschöpfungskette liegt bei uns.“
Das Unternehmen sei gut aufgestellt, sagt Isabel Bonacker, in den vergangenen Jahren – mit Ausnahme des Coronajahrs 2020 – habe man zweistellige Umsatzsteigerungen erzielt. Gerade wurde ein neuer Produktionsstandort bei Aachen in Betrieb genommen, wo modernste Technik eine ressourcenschonende Produktion ermöglicht und den Nachhaltigkeitsgedanken, der tief in der DNA der Babor Beauty Group verankert sei, auf ein neues Level hebe: „Wir haben uns mit unserer Green Agenda ehrgeizige Ziele gesteckt: CO₂-neutrale Herstellung, cleane Formulierungen der Produkte und Reduktion der Verpackung.“ Das Unternehmen habe ein Sustainability Board gegründet mit Mitgliedern verschiedener Abteilungen und Hierarchiestufen, um diese Ziele umzusetzen.
Ein weiteres Thema, das sie im Unternehmen vorantreibt, ist Innovation. Auch hier hat Isabel Bonacker ein Team zusammengestellt, das sich mit inkrementellen ebenso wie mit disruptiven Innovationskonzepten befasst. „Wir müssen anders über Innovation nachdenken, darum gibt es diese Abteilung. Wir sehen Innovation breit. Eine Verpackung, ein digitales Tool für die Lagerhaltung. Wir schauen uns zum Beispiel Start-ups an und überlegen, wo wir sie bei uns ‚andocken‘ können oder ob ein Angel Invest sinnvoll wäre.“
Isabel Bonacker hat das Familienunternehmen zukunftsfähig gemacht, nun steht der nächste große Schritt an: die Expansion außerhalb Europas. „Wir generieren 70 Prozent unseres Umsatzes in Europa, 30 Prozent außerhalb. Das wollen wir umdrehen.“ Anvisierte Schwerpunktmärkte sind die USA, wo bereits 1982 die Tochtergesellschaft Babor Cosmetics gegründet wurde, und China. Auch dort ist Babor bereits präsent, arbeitete jedoch bislang ausschließlich mit Distributoren zusammen. Das ändert sich nun: Die Babor Beauty Group startet ein Joint Venture mit einem Partner für den Multichannel-Bereich. „Ein sehr kompetitiver Markt wie in China oder den USA ist eine große Challenge“, sagt Isabel Bonacker. Dass sie auch diese Herausforderung als große Chance begreift und mit beiden Händen anpacken wird, versteht sich von selbst.
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ZUR PERSON
ISABEL BONACKER studierte Jura und wechselte nach dem Ersten Staatsexamen zum Beratungsunternehmen McKinsey. Auf eine längere Familienpause folgte ein Studium in Stiftungsmanagement an der European Business School INSEAD in Fontainebleau, im Anschluss arbeitete sie fünf Jahre für das Social-Start-up Ashoka. Seit 2014 ist Isabel Bonacker stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrates der Babor Beauty Group. Sie teilt sich den Verantwortungsbereich mit ihrem Cousin Martin Grablowitz, der den Vorsitz des Verwaltungsrates des Familienunternehmens innehat. Bonacker und Grablowitz stehen für die dritte Generation des Unternehmens, das von Isabel Bonackers Großvater Leo Vossen Anfang der 1960er-Jahre übernommen und nach Aachen geholt wurde. Die Babor Beauty Group beschäftigt aktuell 1000 Mitarbeiter*innen weltweit.
Text: Christian Bracht
Fotos: © Patrice Brylla
Dieser Text wurde erstmals in der UNTERNEHMERIN (2023/1) veröffentlicht.